Ich habe bereits öfter mal überlegt, wie und wozu ich Stellung beziehe und mich doch nicht getraut.
Da waren lauter innere Sätze in mir.
„Ich bin noch ein viel zu kleiner Account“
„Ich darf das noch nicht“
„Was ist, wenn die Anderen das/mich nicht (mehr) mögen?“
Und jetzt weiß ich, ich möchte mich positionieren. Ich möchte euch sagen, für welche genauen Werte ich hier stehe. Welchen Weg ich gehe. Weil ich weiß, das ist für mich Wahrhaftigkeit. Das ist die Klarheit, die ich brauche und euch geben möchte, um zu wissen, ob wir diesen Weg ein Stück oder auch länger gemeinsam gehen.
Es gibt zur Zeit einige große bedürfnisorientierte Seiten, die über Elterliche Fürsorgepflicht sprechen und schreiben, dass ein Buch wegnehmen, weil die Kinder Seiten „rausreißen“ okay und sogar unsere Pflicht sei, wenn wir nur die Worte verändern. Wenn wir uns vom DU zum ICH orientieren.
Dass wir statt der Strafen „Wenn du das noch einmal machst, nehme ich dir das Buch weg & dann bekommst du es gar nicht mehr!“ oder „Weil du die Seiten rausreißt, nehme ich dir das Buch weg!“
Umformulieren, sodass es als Ich Satz gesagt wird: „Ich will nicht, dass das Buch kaputt geht, sonst können wir es nicht mehr lesen.“
Wegen dieser Beiträge ordne ich mich oftmals ungern anderen Blasen zu. Ich weiß, auf der einen Seite brauche ich Gemeinschaft und diese Blasen können helfen und auf der anderen Seite brauche ich Verständnis, dafür, dass ich zeitweise die Abgrenzung dazu suche, um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Um zu reflektieren und zu spüren. Und meine Meinung dazu zu finden.
Macht bleibt Macht
Ich frage mich dann, ist es machtfrei und wertschätzend das Buch mit den oben genannten Worten wegzunehmen?
Das ist für mich ein ganz klares Nein.
Was bedeutet machtfreie und wertschätzende Kommunikation?
Da könnt ihr gerne mal bei bei meinem Podcast „Verbindungssprache – der Podcast für mehr Verständnis in Familien“ reinhören, ich verlinke euch diesen hier.Hört gerne die zu diesem Thema passenden Folgen 01 – Verbindung sowie 02 – Der Unterschied zwischen der Kraft von Wörtern und der Macht von Wörtern.
Ja, ein Schritt ist es, das DU zum ICH zu verändern. Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass wir da viel tiefer reinschauen dürfen, als die rein oberflächlichen und gesprochenen Worte anzuschauen. Ist meine Haltung entsprechend dem, was ich gerade sage oder fluche ich im Inneren und sage diesen Satz nur, weil das Jemand so gesagt hat? Weil das ja die Möglichkeit ist, meinen Willen durchzusetzen und nur die Hülle passend zu machen?
Für mich bedeutet Bedürfnisorientiert, dass die Bedürfnisse aller zählen und dass es mehr als einen Weg gibt. Es ist ein Weg, das Buch wegzunehmen. Doch auch wenn das ein Weg ist, so ist und bleibt es eine Machtausübung. Weil wir stärker sind als das Kind. Weil wir unser Bedürfnis über das des Kindes stellen. In Verbindung und wertschätzend würde ich es anders lösen. Gleichzeitig habe ich Verständnis für diesen ersten Impuls des Wegnehmens.
Und da stellt sich mir die Frage, welches Bedürfnis steckt denn wirklich dahinter? Findest du überhaupt ein wirkliches Bedürfnis dahinter?
Oder sind da eventuell verinnerlichte Wahrheiten, wie...
„Das macht man nicht“
„Das gehört sich nicht“
Und limitierende Glaubenssätze,
„Ich habe meine Kinder nicht im Griff, wenn Sachen kaputt gemacht werden“
„Mich mag niemand, wenn ich nicht aufpasse“
Vorbild
Zusätzlich bedenke ich gerne, dass wir die Vorbildfunktion haben. Möchte ich meinem Kind vorleben, dass ich Sachen wegnehme, wenn es anders handelt, als ich es möchte? Wie wird das Kind mit dem Geschwister umgehen oder mit anderen Menschen, wenn dieses anders handelt, als das Kind es möchte? Denn bei dem Buch geht es selten um Leben schützen (schützende Gewalt ist ein anderes Thema). Vermutlich wird das Kind dann ebenfalls Dinge wegnehmen. Das kann und darf für jede*n unterschiedlich sein, es ist nur die Überlegung, ob wir uns dessen bewusst sind. Denn Wegnehmen ist und bleibt eine Machtausübung. Um unseren individuellen und einzigartigen Weg in dieser Situation zu finden, lade ich euch ein, euch mit den folgenden Fragen auseinander zu setzen:
Was für Sätze, Überzeugungen, Eigenschaften sind in euch?
Welches Gefühl löst das Verhalten/die Situation bei euch aus?
Welches ist euer wirkliches Bedürfnis?
Was möchtet ihr eurem*n Kind*ern vorleben?
Und was ist euer Wert im Umgang mit eurem*n Kind*ern?
Wenn ihr möchtet, verbindet euch damit, macht euch wirkliche Gedanken dazu, beobachtet euch in diesen Situationen, sprecht mit Anderen (wenn ihr niemand Vertrautes habt, könnt ihr auch eine Sprachnotiz machen oder zu mir kommen – denn aussprechen hilft häufig, Gedanken zu sortieren) darüber und besprecht es auch mit eurem*n Kind*ern und dann findet ihr eure individuelle Lösung.
Mein Weg
Ich nehme meinen Kindern keine Bücher weg, bei denen sie eine Seite rausnehmen. Warum nicht?
Ich habe vieles ausprobiert, viel gehört, viel gelesen, viel erfahren. Von du musst dich aufopfern (die Ansicht gibt es mittlerweile viel weniger) bis du musst auf jeden Fall deine Grenzen ganz deutlich sagen, zeigen und handeln ist für mich bei der Blase Bedürfnisorientierung alles dabei. Dass die kindliche Entwicklung eine Rolle spielt und es ans Alter angepasst werden sollte. Und auch der Weg, in Ich-Botschaften zu reden und ganz andere Dinge zu meinen, was allerdings nur zu Verzweiflung bei Kindern führt, weil das Doppelbotschaften sind (dazu ein anderes Mal mehr).
Auf jeden Fall habe ich meinen eigenen Weg gefunden.
Nachdem ich verstanden hatte, wie wichtig unsere inneren Prozesse sind und bei den Büchern Klappen rausgezogen wurden, habe ich mich zuerst einmal beobachtet, bevor ich gehandelt habe (und ja, da hat fast ein ganzes Buch die Klappen verloren, doch ich wollte erstmal mich selbst kennen lernen).
Ich habe in mich gehört und gespürt, welche Sätze da verborgen waren.
„Ich werde nicht mehr geliebt, wenn ich nicht aufpasse, dass alles heile bleibt“ ist nur einer der Sätze und impliziert gleichzeitig einen Stressor, weil ich auch an meinen Mann gedacht habe und was er wohl sagen wird, wenn ich hier nicht aufpasse.
Nachdem ich das erkannt habe, merkte ich bereits, wie sich etwas löste. Wie zuerst Ärger da war und dann eine große Trauer und diese von der Situation ausgelöst wurde, allerdings eine ganz andere Ursache da in mir drin hatte. Natürlich wusste ich, dass meine Bedürfnisse sowohl Freude, als auch Nachhaltigkeit sind. Doch ich bin für meine eigenen Bedürfnisse verantwortlich. Ich darf mich darum kümmern, dass diese Bedürfnisse erfüllt sind. Das ist nicht die Aufgabe des Kindes, indem es die Bücher heile lässt. Und auch bei der Nachhaltigkeit bin ich in mich gegangen und merkte, dass ich selber gerade frustriert war, weil ich dieses Bedürfnis nicht so erfülle, wie ich mir das wünsche im Alltag mit Kindern. Deswegen ist es nicht die Aufgabe meines Kindes, dieses Bedürfnis zu erfüllen.
Lasse ich deswegen jedes Verhalten „durchgehen“?
Was heißt das eigentlich?
Was ist unser Problem daran?
Dass es mit der laissez-faire Erziehung verglichen wird?
Im ersten Moment lasse ich jedes Verhalten da sein, bis auf, wenn das Leben geschützt werden darf. Dann greife ich ein.
Was für mich der Unterschied zum gängigen „durchgehen lassen“ ist, dass ich mich selbst kennengelernt habe, meine inneren Prozesse, meine Gefühle und Bedürfnisse meistens innerhalb kürzester Zeit für mich erkenne, um dann die Gefühle und Bedürfnisse meiner Kinder anzusprechen – denn je schneller ich es herausgefunden habe, desto eher nehmen sie sich verstanden wahr und sind bereit, gemeinsam Lösungen zu suchen. Und ich sage dann im Anschluss, wenn sie bereit sind, auch meine Gefühle und meine Bedürfnisse. Deswegen ist es kein ich lasse es alles durchgehen, sondern ein verständnisvoller Weg, der sich auf alle Gefühle und Bedürfnisse konzentriert.
Und ich bin der Überzeugung, dass es Möglichkeiten, Strategien und Lösungen gibt, die für uns alle okay sein können. Bei dem wir unsere Bedürfnisse verbinden, anstelle eines entweder deines oder meines. Bei uns gibt es unter Anderem folgende Strategien:
- Meine Kinder wissen, mir sind Absprachen wichtig. Und wenn mir ein Buch wirklich am Herzen liegt, ein Buch aus der Bücherei ist oder sie eines der Bücher haben, die mein Mann oder ich lesen, dann sprechen wir vorher darüber, wie und ob es möglich ist, dass dieses Buch heile bleibt. Hier bin ich sehr klar und ich glaube diese Wahrhaftigkeit spüren die Kinder, deswegen gibt es zur Zeit keine Situationen, in denen sich nicht an diese Absprachen gehalten wird.
- Wir haben ein Buch, bei denen können die Klappen und Seiten abgezogen werden und dieses holt meine Tochter sogar, wenn sie sieht, dass ihr Bruder aus einem anderen Buch etwas abziehen möchte. Warum haben wir das? Es erfüllt deren Bedürfnis nach Entdeckung, wie ein Buch auch aufgebaut ist. Außerdem hilft es mir, Zeit zu gewinnen, um herauszufinden, was die Kinder brauchen, ohne dass ich ihnen etwas wegnehme, denn tauschen ist meistens okay. Wenn nicht? Dann sage ich meine wirklichen Gefühle, benenne mein Bedürfnis und frage, ob die Bereitschaft da ist, es heile zu lassen. Wenn nicht? Dann ist das so. Es sind die Bücher meiner Kinder. Wir können teile kleben, wir können manche Bücher ganz anders entdecken, wenn etwas fehlt und auch sie dürfen, finde ich, die Erfahrung machen, wie es ist, wenn etwas gerissen, zerbrochen, verschwunden ist und daraus ihre eigenen Bedürfnisse kennen lernen. Und das dauert bekanntlich ein paar Erfahrungen lang, bis sie verstanden haben, das ein Buch zerrissen bleibt, was das in Anderen für Gefühle auslöst (denn neben uns Eltern können auch Geschwister können traurig sein, wenn ein Buch kaputt ist) oder auch was sie selber eigentlich möchten.
Meine Werte
Eine für mich extrem wichtige Antwort auf die Frage „Wie gehe ich mit meinen Kindern in diesen Situation um?“ ist es, meine Werte zu kennen.
Wie möchte ich mit mir selbst umgehen?
Wie möchte ich mit meinem*n Kind*ern umgehen?
Meine Werte mir selbst gegenüber sind unter anderem Annahme, Leichtigkeit, Selbstentfaltung, Empathie und Verbindung.
Wie hilft mir dieses Wissen der Werte in der Situation?
Ich kann mich im ersten Schritt selber annehmen. So vieles, was da in mir drin ist und so verschiedene Wege, wie ich in der Situation reagiere. Druck, Angst, Ärger, Wut, Stressoren,… alles das darf da sein, um mir dann emphatisch gegenüberzutreten. Zu schauen, was ich brauche und mir das kurz selbst zu geben. Um in Verbindung zu kommen und zu bleiben und nun für meine Kinder da sein zu können.
Meine Werte meinen Kindern gegenüber sind Annahme, Verständnis, Empathie, Freude, Unterstützung, Potentialentfaltung, Gleichwürdigkeit und ein wertschätzender Umgang.
Und das hilft mir, weil ich das in herausfordernden Momenten vergessen habe, bevor ich es mir aufgeschrieben und aufgehängt hatte. Ich möchte meine Kinder annehmen, so wie sie sind, dabei spielt es keine Rolle, was gerade passiert, denn ich weiß, sie handeln so, wie es ihnen bestmöglich ist. Und ich möchte verstehen, was hinter ihrem Verhalten steckt, also vermute ich oder frage nach – emphatisch. Ich möchte die Zeit mit meinen Kindern genießen, sie unterstützen in ihrer Entwicklung, so wie sie es für ihre Entfaltung brauchen. Und zusätzlich ist mir Gleichwürdigkeit wichtig, dass jeder gesehen und gehört wird und wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Sowie ein wertschätzender Umgang, bei dem ich außer der schützenden Macht (dazu ein anderes Mal mehr) keine Macht ausüben möchte, weder physisch noch psychisch.
Mit diesen Gedanken, diesem Mindest ist es möglich, dass ich ganz anders auf meine Kinder zugehe, als ohne dieses Wissen. Denn ich handele bewusst, kenne meine inneren Überzeugungen, bearbeite diese und bringe sie in Einklang mit meinen Bedürfnissen und Werten, für einen ganzheitlich wertschätzenden Umgang.
Ich glaube daran, dass Kinder durch Annahme und Vertrauen frei lernen können. Durch die Annahme, dass sie ihr bestmögliches in dieser Situation geben und gleichzeitig jedes Verhalten da sein darf. Sie lernen bereits durch die echten Gefühle, die in der Situation ausgelöst werden. Wie fühlt sich das Kind? Wie das Geschwister? Die Mama? Der Papa? Andere Menschen? Und zwar die Gefühle ohne Verurteilungen, dass das Kind schuld ist, sondern mit dem Wissen, dass alle Gefühle in jedem Menschen da sein dürfen. Die Kinder lernen durch ihre eigenen Erfahrungen und auch diese sind ein Prozess des Wiederholens, wenn euch Neuroplastizität bereits etwas sagt? Und sie lernen durch Lösungen und Strategien, die gemeinsam gesucht und gefunden werden. Denn dadurch erkennen sie, dass es mehrere Wege gibt, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Okay, ich glaube das war es von mir hier erstmal zu diesem Thema. Jeder Mensch darf den eigenen Weg finden und manchmal bereichern wir uns gegenseitig und manchmal sind wir unterschiedlicher Meinung. Das darf sein. Deswegen schaut gerne, ob meine Werte (es wird in der nächsten Zeit noch mehr zu Anderen Themen geben) mit euren Werten und Vorstellungen übereinstimmen. Mir ist es wichtig, Macht zu erkennen, zu benennen sowie Möglichkeiten und Wege zu finden, um diese zu vermeiden.
Für heute wünsche ich euch viel Verständnis und Verbindung,
Eure Urte 🙂
P.S. Ich hoffe es ist deutlich geworden, dass es auf die jeweiligen inneren Prozesse, die Bedürfnisse und Werte der einzelnen Familie ankommt, wie in dieser Situation gehandelt wird. Ein ganz anderes Beispiel könnte sein, dass ihr zum Beispiel finanzielle Grenzen habt, so kann ein großes Gefühl der Angst da sein, was im ersten Moment mit dem Wegnehmen einhergeht, um sich selbst zu schützen. Hier ist es dennoch wichtig zu sehen, dass es der machtvolle Weg ist und das dürfen wir im Anschluss begleiten, und auch besprechen, um dann zu bedauern und Strategien für die nächsten Male zu finden, die machtfrei sind, finde ich.